Revival am Grossglockner

Der Auto Union Typ C war der erfolgreichste Rennwagen der Saison 1936. Beim Grossglockner Grand Prix 2017 konnte man den Original-Nachbau noch einmal in Aktion bewundern – mit Hans-Joachim Stuck am Steuer

Auto Union Typ C

Der Auto Union Typ C war der erfolgreichste Rennwagen der Saison 1936. Beim Grossglockner Grand Prix 2017 konnte man den Original-Nachbau noch einmal in Aktion bewundern – mit Hans-Joachim Stuck am Steuer

Text: Ulrich Safferling Fotos: Audi Tradition

Um es gleich vorweg zu sagen: es ist nicht derselbe Wagen. Der Spezialrennwagen vom Typ C, mit dem Hans Stuck 1938 das Bergrennen am Grossglockner gewann, ging als Kriegsbeute in die Sowjetunion und dort verloren. Das Auto, mit dem sein Sohn «Strietzel» Stuck beim diesjährigen Grossglockner Grand Prix den Pass erstürmte, ist eine exakte Kopie des Auto Union GP-Wagens Typ C aus dem Deutschen Museum in München. «So original, dass er 1936 eine Startberechtigung bekommen hätte», betont Timo Witt, Leiter der Historischen Sammlung von Audi.

Design, Konstruktion, Technik und Material dieses Nachbaus entsprechen einem originalen Typ C Grand Prix Rennwagen. Als Vorlage diente ein Modell, das die Auto Union 1937 dem Deutschen Museum in München geschenkt hatte und das als einziger AU-Silberpfeil in Westdeutschland blieb. Die aufgeschnittene Karosserie diente als Anschauungsmodell, wurde im Krieg schwer beschädigt und durch Audi 1979/80 repariert und wieder fahrtüchtig gemacht. Es ist einer von nur fünf Silberpfeilen aus Zwickau, die den Krieg überlebt haben.

Zu den anderen vier gehört das ehemalige Typ-D-Präsentationsmodell eines Auto-Händlers aus Prag, das in den 70er-Jahren gerettet und mit einem aufgefundenen V12 Original-Triebwerk aus der DDR komplettiert wurde. Die anderen drei noch existierenden Fahrzeuge – heute alle im Besitz von Audi als Nachfolger der Auto Union – stammen aus dem Fundus von vermutlich insgesamt sieben Typ C- und 2 Typ D-Modellen, die von der Roten Armee 1945 abtransportiert worden waren. Die meisten wurden bei Versuchszwecken zerstört. Zwei Typ D wurden später aus Einzelteilen im Westen wieder aufgebaut, ein Mix aus D-Typ mit dem V16-Motor eines Typ C wurde in einem lettischen Veteranenclub aufbewahrt, der sogenannte Riga-Wagen. Nach langen Verhandlungen konnte Audi ihn erwerben und liess als Entschädigung eine voll funktionstüchtige Replika für das lettische Museum anfertigen.

Der in diesem Jahr beim Grossglockner Grand Prix eingesetzte Silberpfeil als Bergversion mit Zwillingsreifen ist also weder ein historisches Fahrzeug noch entspricht er dem Typ C Spezial-Rennwagen ohne Zwillingsbereifung, mit dem Hans Stuck seinerzeit im Rennen siegte. Trotzdem lebt mit ihm fast 80 Jahre später noch einmal die Stimmung auf, wenn ein Typ C am Berg unterwegs ist. Schon von Weitem hört man den Motor hinter der Kurve wie ein Sägewerk. Je näher der Wagen kommt, umso mehr steigert sich der Sound zum Orkan. Schnarrend, sprotzelnd, brüllend tobt das Auto vorbei, als wolle es die Strasse fressen. Vor den Kehren wird es marginal ruhiger, wenn Zwischengasstösse das Triebwerk am Leben erhalten. Auf der folgenden Geraden räuspert sich das V16-Monster dann nur kurz, bevor ihm der Verdichter mehr Leistung eintrompetet und sich der Sturm von Neuem erhebt.

Der Mann, der diese Leistung am Grossglockner im festen Griff hat, ist kein Geringerer als Hans-Joachim «Strietzel» Stuck. Der Sohn des Mannes, der diesen Berg 1938 so schnell bezwang, wie keiner vor ihm und der als «Bergkönig» bis in die 1960er-Jahre gefeiert wurde. Für Strietzel ein besonderer Moment, genau dort in einem Silberpfeil unterwegs zu sein. «Da kriegt man schon Gänsehaut, wenn man dran denkt, dass der Vater hier mal gefahren ist», bekennt der gestandene Rennfahrer. Und die Teamkollegen von Audi Tradition berichten, dass auch ein Tränchen verdrückt wurde, als sich Stuck mit der Original-Rennfahrerbrille und den Handschuhen seines alten Herren hinters Steuer klemmte.

Bereits vor einem Jahr war Stuck Junior im Sechzehnzylinder beim Bergrennen im englischen Shelsley Walsh gestartet. Genau 80 Jahre nachdem der Senior dort 1936 teilgenommen hatte und im Training einen inoffiziellen Streckenrekord aufgestellt hatte. Und wie der Vater musste er mit behutsamem Gasfuss fahren, weil die brutale Kraft von mehr als 850 Newtonmeter selbst die Zwillingsreifen an ihre Haftgrenze bringen und der Mittelmotorwagen ins Tänzeln gerät.

Mit dem Sechzehnzylinder als Mittelmotor besass die Auto Union ein Alleinstellungmerkmal, das vom Typ A bis zum Typ C beibehalten wurde. Erdacht hatte die Konstruktion Ferdinand Porsche, der sein Rennwagen-Projekt «P-Wagen» an die Sachsen verkaufte, die damit gegen Mercedes antreten wollten. Die Schwaben hatten 1934 mit dem W 25 einen erfolgreichen, aber konventionellen Rennwagen mit Frontmotor und Achtzylinder entwickelt. Im gleichen Jahr debütierte der Typ A Auto Union am 27. Mai beim AVUS-Rennen in Berlin.

Übrigens bereits als Silberpfeil, sprich mit Alukarosserie, über die nur Klarlack aufgetragen war. Warum das so war und nicht die deutsche Rennfarbe Weiss zum Einsatz kam, ist nicht abschliessend geklärt. Ein Grund kann darin gelegen haben, dass die damals üblichen Nitrolacke, mehrschichtig aufgetragen, zu viel Extragewicht mit sich brachten. Eine Tatsache, die bei Mercedes von Alfred Neubauer zur Legende mit dem abgeschmirgelten Lack beim Eifelrennen aufgebauscht wurde und mittlerweile als widerlegt gilt. Trotzdem verzichtete auch Mercedes bald auf Farbe und das Duell der deutschen Silberpfeile nahm seinen Lauf.

Der V16 wurde bis 1937 konsequent optimiert, erst dann zwang die neue Dreiliter-Formel für Kompressor-Motoren die Auto Union zum kleineren V12. Bis dato war der Hubraum der Sechzehnzylinder von 4,4 Liter in 1934 über 5,0 Liter 1935 bis auf 6 Liter in den Jahren 1936/37 gesteigert worden. Die Leistung kletterte von 295 über 375 bis auf 520 PS. Doch 1937 kam der Typ C gegenüber dem neuen Mercedes W 125 an seine Grenzen und konnte nur dank Verlängerung der 750-Kilo-Formel noch einmal eine Saison fahren.

Ein Höhepunkt war dabei das AVUS-Rennen am 30. Mai 1937, bei dem Mercedes und die Auto Union ihre Rennwagen mit Stromlinien-Karosserien auf maximale Geschwindigkeit getrimmt hatten. Damit wurden Durchschnittstempi von mehr als 250 km/h erreicht. In der Spitze fuhren die Rennwagen der Teams um 380 km/h, Bernd Rosemeyer erreichte auf dem Typ C die schnellste Runde mit 276 km/h. Mit dem Stromlinien-Typ C fährt Rosemeyer im Oktober einen neuen Rekord auf der Autobahn Frankfurt – Darmstadt mit 406 km/h. Rudolf Caracciola übertrifft ihn am 28. Januar 1938 mit 432 km/h. Als Rosemeyer sich den Rekord am selben Tag zurückholen will, verunglückt er tödlich.

Obwohl der Typ C ab 1938 wegen seines grossen Motors nicht mehr bei Grand Prix-Rennen eingesetzt werden kann, bleibt er bei Bergrennen im Einsatz. Schon davor hatte der Typ C viele Erfolge erzielt, meist wurden die GP-Fahrzeuge aber dafür modifiziert und mit einem kürzeren Radstand sowie sehr viel kleineren Tanks gefahren. Teilweise wurde auch mit Zwillingsreifen gefahren, um die Traktion zu verbessern. Später wurde sogar noch der Typ D mit dem V16 bestückt, um als hubraumstarker Bergrennwagen eingesetzt zu werden.

Hans Stuck erwies sich im Typ C als einer der erfolgreichsten Fahrer am Berg. Zwischen 1934 und 1939 siegte er in den zwölf bedeutendsten Rennen. Nachdem er 1930 bereits auf Austro Daimler Europa-Bergmeister in der Rennwagen-Klasse geworden war, gelang ihm das 1933 noch mal mit Mercedes bei den Sportwagen. Danach wurde die Meisterschaft eingestellt, doch Stuck siegte mit Auto Union insgesamt bei 22 Grand Prix- und Bergrennen. Und nach dem 2. Grossglockner Rennen von 1938, ausgetragen als Grosser Bergpreis von Deutschland, wird Stuck Deutscher Bergmeister.

Am Grossglockner war bereits drei Jahre zuvor das erste Rennen nur einen Tag nach Eröffnung der Passstrasse ausgetragen worden. Damals siegte ein Alfa Romeo, weil weder Mercedes noch Auto Union an den Start gingen. Doch 1938 starten die Silberpfeile ge- geneinander. Hans Stuck tritt für die Auto Union, gegen Hermann Lang und Manfred von Brauchitsch auf Mercedes-Benz an. Die Verhältnisse auf der Hochalpenstrasse sind besser als 1935. Die Haarnadelkurven wurden befestigt und teilweise mit Kopfsteinpflaster belegt, so können Sand und Schotter nicht mehr wie im ersten Rennen aufspritzen. Geplant ist eine 33,5 Kilometer lange Strecke bis auf 2346 Meter Höhe: Zunächst von Fusch bis zum Fuscher Törl (12,6 km) und danach von Guttal zur Franz-Josefs-Höhe (7,3 km). Doch das Wetter macht diesen Plan zunichte. Weil der zweite Streckenabschnitt in Wolken gehüllt ist, verweigern die Fahrer den zweiten Start, sodass der untere Teil nochmals befahren wird.

33 Fahrer treten in verschiedenen Sportwagenklassen an, doch ganz vorn fahren die Silberpfeile hart an der Zehnminutengrenze. Nur um 2,5 Sekunden ist Stuck im ersten Lauf schneller als die Mercedes-Konkurrenten – er hat sich gedreht und wertvolle Zeit verloren. Doch beim zweiten Anlauf kommt der Bergkönig nicht mehr aus dem Rhythmus und schafft den Anstieg in 9:32 Minuten. Mit einer Gesamtzeit aus beiden Läufen von 20 Minuten 15 Sekunden und einem Durchschnitt von 74,67 km/h gewinnt Stuck den Grossen Bergpreis und sichert sich die Meisterschaft vor Hermann Lang, der sich im folgenden Jahr mit einem Sieg revanchieren wird. Doch 1938 ist der Sieg von Hans Stuck am Grossglockner einer der letzten grossen Triumphe für den Silberpfeil Auto Union Typ C.

AUTO UNION TYP C GRAND PRIX-RENNWAGEN

Baujahr: 1936/37
Motor: 6005 ccm V16 Mittelmotor, 1 OHC mit Königswelle, Roots-Verdichter, 1 Solex Doppelvergaser
Leistung: 520 PS bei 5000 U/min
Drehmoment: 853 Nm bei 2500 U/min
Kraftübertragung: manuelles Vierganggetriebe, Hinterradantrieb
Länge/Breite/Höhe: k.A.
Gewicht: 824 kg
Verbrauch: k.A.
Höchstgeschwindigkeit: 340 km/h (GP-Wagen) und 406 km/h (Stromlinien-Rekordwagen)
Beschleunigung: k.A.
Produktion: 7
Preis: k.A.