Nummer 1 lebt!

Mit dem Vallelunga debütierte De Tomaso als Sportwagenhersteller. Zwar war der Erstling kein Verkaufsschlager, doch sorgte er für ordentlich Krawall unter den italienischen Sportwagenbauern. SPIRIT hat mit dem ersten gebauten […]

Mit dem Vallelunga debütierte De Tomaso als Sportwagenhersteller. Zwar war der Erstling kein Verkaufsschlager, doch sorgte er für ordentlich Krawall unter den italienischen Sportwagenbauern. SPIRIT hat mit dem ersten gebauten Serienmodell eine Spritztour unternommen und überprüft, ob der Vallelunga hält, was er optisch verspricht.

Text Patrik Hellmüller | Fotos Manuel Schmid

Es war um die Jahrtausendwende. Ich war 16 oder 17 Jahre alt und besuchte mit meinem Vater und einer Gruppe Alfisti die Mille Miglia als Zuschauer. Unser Quartier war das Hotel Canalgrande in Modena. Am Abend haben wir im prächtigen Hotelspeisesaal gegessen. Plötzlich verstummten die angeregten Gespräche. Als ich mich zum Eingang drehte, sah ich einen gesundheitlich bereits stark angeschlagenen Mann im Rollstuhl: Alejandro de Tomaso. Trotz seines Zustandes hatte er einen wachen Blick. Ich erinnere mich, wie er unsere Schweizer Gruppe in einer lebhaften Ansprache willkommen hiess, denn das Hotel Canalgrande gehörte früher der Familie de Tomaso. Schon damals kannte ich die Autos des in Argentinien geborenen Rennfahrers, Konstrukteurs und Unternehmers. Auch hatte ich gehört, dass Alejandro de Tomaso vielerorts mit einer Art Bewunderung als Schlitzohr bezeichnet wurde und nicht nur beachtliche Rennund Sportwagen auf die Strasse, sondern auch einige abenteuerliche Deals in trockene Tücher gebracht hatte.

DER ERSTE STRASSENSPORTWAGEN
Fünfundzwanzig Jahre später befinde ich mich in einem anonymen Gewerbebau. Ein Schweizer Autosammler und -kenner präsentiert mir gerade seinen De Tomaso Vallelunga. Dabei handelt es sich um das erste Strassenauto des Herstellers. Das Exemplar, in dem ich probeweise Platz nehme, ist zudem das allererste Serienmodell. Es trägt die Chassisnummer 0101 und wurde von der Carrozzeria Ghia gebaut.

Der Sammler, der hier nicht in Erscheinung treten möchte, meint, ich solle am besten gleich eine Probefahrt unternehmen – so bekäme ich ein Gefühl für das Auto. Da kann ich schwerlich Nein sagen! Ich drehe den Zündschlüssel und der getunte Ford-Motor erwacht unmittelbar hinter mir zum Leben. Über die offene Schaltkulisse lege ich den ersten Gang ein und rolle vorsichtig aus der Halle. Das Auto ist mit rund 700 Kilogramm derart leicht, dass das Manövrieren mit dem winzigen Lenkrad und ohne Servolenkung mühelos gelingt.

ITALIENISCHE LEBENSFREUDE TROTZ ENGLISCHER GENE
Während ich aus der Stadt steuere, kommt der Motor auf Betriebstemperatur. Als die mittig angebrachte Anzeige für die Wassertemperatur grünes Licht gibt, schalte ich an einem Ortsausgang in den zweiten Gang hinunter und trete das Gaspedal durch. Der 1,5-Liter-Motor, der sich bisher akustisch zurückgehalten hat, dreht voller italienischer Lebensfreude hoch, begleitet von einem kernigen Klang – man könnte vergessen, dass er auf dem bürgerlichen englischen Ford-Kent-Motor aufbaut. Der nächste Gang lässt sich dank kurzem Schaltweg präzise und schnell einlegen. Es kostet Selbstbeherrschung, ihn nicht ebenfalls auszudrehen und weit über das Tempolimit hinauszuschiessen. Ich gehe vom Gas, und der kleine Sportwagen bollert, dass es eine Freude ist.

Dank konsequentem Leichtbau reichen 105 PS, um richtig schnell zu sein. Übermotorisiert ist der Vallelunga jedoch nicht. Das Fahrwerk würde mit zusätzlicher Leistung problemlos fertig. Das Fahrgefühl erinnert stark an einen Gokart oder Rennwagen. Kurven lassen sich messerscharf anfahren, die winzigen 13-Zoll-Räder kleben förmlich auf der Strasse. Zugleich hinterlässt der De Tomaso einen erstaunlich soliden Eindruck – eigentlich untypisch für den Vallelunga. Denn Leichtbau und herausragende Fahreigenschaften hatten bei seiner Entwicklung klar Vorrang vor tadelloser Verarbeitung oder Robustheit. In unserem Fall trifft aber de Tomasos Talent als Konstrukteur auf die Präzision eines Schweizers.

Mehr lesen Sie in unserem Magazin – jetzt abonnieren!