Auf Basis eines XK 120 entstand vor 70 Jahren in Amerika ein einmaliger Rennwagen, der Hansgen Special. Jaguar-Liebhaber Christian Jenny brachte ihn in die Schweiz, Jaguar-Experte Georg Dönni vollendete die Restaurierung mit Strassenzulassung.
Text Ulrich Safferling | Fotos Vesa Eskola, U. Safferling, Archiv C. Jenny
Die englisch-amerikanische Beziehung über den Atlantik hat sich im 20. Jahrhundert entwickelt, als beide Länder gemeinsam in den Weltkriegen fochten. Die gemeinsame Kultur, der Alten und der Neuen Welt ist sprichwörtlich und von gegenseitigem Respekt geprägt, wenn Traditionalismus auf Pragmatismus trifft. Genau diese Kombination führte zu dem einzigartigen Rennwagen auf diesen Seiten: Die technische Basis lieferte ein Jaguar XK 120, das Konzept der Jaguar C-Type, der in Le Mans für Furore sorgte. Damit gerüstet konstruierte der Rennfahrer Walt Hansgen
(1919–1966) aus New Jersey in amerikanischer Hands-on-deck- Mentalität sein eigenes Rennauto. Es erinnert ein wenig an Ferry Porsche, dem das Zitat zugeschrieben wird: «Am Anfang habe
ich mich umgesehen, konnte aber nicht genau das Auto finden, von dem ich träumte. Also beschloss ich, es selbst zu bauen.» Der entscheidende Unterschied: Hansgen hatte sein Traumauto gefunden – konnte es aber nicht kaufen.
Der automobile Star im Jahr 1951 war der Jaguar XK 120C, der mit Peter Walker und Peter Whitehead am Steuer die 19. Auflage der 24 Stunden von Le Mans gewinnen konnte – der erste Sieg von
Jaguar überhaupt bei diesem berühmten Langstreckenrennen. Ein jugendlicher Stirling Moss fuhr dasselbe Modell mit Topzeiten, schied aber in der 93. Runde mit technischem Defekt aus. Genau
so einen C-Type – das «C» stand eigentlich für «Competition» – wollte Walt Hansgen haben. Mit seinem Wunsch ging er zu keinem anderen als dem damaligen Jaguar-Importeur an der Ostküste und legendären Autoverkäufer in New York, Max Hoffman. Maxy, wie ihn seine Freunde nannten, soll gelächelt und erklärt haben, es seien aktuell keine lieferbar, und ab 1952 habe er mehr Anfragen als bestellte Fahrzeuge. Nach einer anderen Erzählung soll Walt aber auch etwas knapp bei Kasse gewesen sein: Knapp 6000 Dollar musste man damals für einen C-Type hinlegen, das Sechsfache eines normalen amerikanischen Autos. Und schon seinen 51er XK 120 hatte er sich mit einem Kredit bei seiner Mutter finanzieren müssen. Ob so oder so – es gab keinen C-Type, obwohl Walt gerade Gefallen am Rennfahren gefunden hatte. Im fortgeschrittenen Alter von 32 Jahren. Zuerst in einem MG TD, dann im XK 120 Coupé und im Siata Grand Sport. Aber Walt wollte mehr. Und wie sich sein Sohn Rusty erinnert: «Wenn Vater etwas im Kopf hatte, dann stierte er das durch.» So schlug die Stunde des Hansgen Special.
Die Voraussetzungen für einen Rennwagen-Aufbau in Eigenregie hätten besser nicht sein können, denn die Hansgen-Familie besass einen vom Grossvater gegründeten Karosseriebaubetrieb: «H. G. Hansgen, auto-body». Dort gab es nicht nur alle Werkzeuge und Maschinen für ein so engagiertes Projekt, sondern auch das nötige Know-how. Denn Walt Hansgen wollte nicht einfach nur einen C-Type nachbauen – er wollte ihn besser machen. Das Ziel war ein Rennsportwagen auf Basis von Hansgens eigenem XK 120, leichter und schneller als ein C-Type. Und das Auto musste zur
Saison 1953 fertig werden. Getestet, lizenziert und zugelassen.
Eine grosse Aufgabe. Walt Hansgen entwarf die Skizzen, organisierte Fachkräfte und Lieferanten und teilte die Mitarbeiter ein. Walts Vater half bei der Vorbereitung, Jimmy Brown, der Lack-Experte der Firma, kümmerte sich am Ende um die Farbe und Emil Hoffman, nicht verwandt oder verschwägert mit Maxy Hoffman, kümmerte sich um die Karosseriearbeiten, die zum zentralen Thema des Neuaufbaus wurden. Statt eines zweidimensionalen Leiterrahmens wie beim originalen C-Type konstruierten Walt und Emil eine dreidimensionale Struktur aus Chrom-Molybdän-Stahlrohren, ein damals neuartiges, sehr verwindungssteifes Material. Der Querschnitt der Rohre war zwar grösser als beim C-Type, aber die Wandstärke dünner – so wurden 50 Kilo Gewicht eingespart.
Die Grundkonstruktion ist zum Winter 1952/53 fertig, die Verkleidung aus dünnem Aluminium ist für die Karosseriebauprofis eine einfache Sache. Armaturenbrett,
Elektrik, Motor und Nebenaggregate spendet der XK, beim Fahrwerk optimiert Hansgen die C-Type-Konstruktion mit Längs-lenkern und Schraubenfedern, die Zahnstangenlenkung stammt
aus einem MG TD. Ein Versuch mit Weber-Vergasern führt nicht zum gewünschten Erfolg, so bleibt es bei zwei, je nach Rennen drei SU-Vergasern. Emil Hoffman, der begabte Schweisser des
Rohrrahmens, schätzte den Material- und Zeitaufwand für den 14-monatigen Umbau mal auf 30’000 Dollar.
Im Frühjahr 1953 ist es geschafft – Walt Hansgen fährt seinen eigenen Jaguar, das erste Rennen ist, soweit sich das noch feststellen lässt, ein SCCA-Rennen in Cumberland, Maryland. Dort schlägt sich Walt mit John Negley auf einem Allard mit Chrysler-V8 herum, den es schlussendlich in die Heuballen treibt, sodass Hansgen gewinnt. Bei den SCCA-Veranstaltungen traten meist europäische Modelle gegeneinander an, im Gegensatz zu den US-Cars in den NASCAR-Rennen. So traf Hansgen oft auf XK-Modelle, gegen die er meistens Sieger blieb. Insgesamt acht
Rennen bestritt Walt Hansgen mit seinem Special in der 1953er-Saison und sammelte wichtige Rennpraxis. Seinen grössten Triumph feierte er aber beim letzten Rennen des Jahres in Watkin
Glen am 19. September.
Das Rennen von Watkins Glen, rund 260 Meilen von New York entfernt, ist damals das wichtigste Sportwagenrennen in den USA. Es wird seit 1948 ausgetragen und bis 1956 auf öffentlichen Strassen durchgeführt. Dort duelliert sich 1953 der damals 34-jährige Walt Hansgen in seinem 3,4-Liter-XK mit George Harris in einem 7.0 Cadillac-Allard J2. Die beiden schenken sich nichts, die Führung wechselt mehrmals. Als Harris in einer der letzten Kurven vor dem Ziel die Innenseite wählt, überholt ihn Hansgen risikofreudig aussen auf Dreck und Kies, fängt den schleudernden Wagen ab und überquert die Ziellinie als Erster.
Mit diesem Sieg gelingt Hansgen nicht nur sein Meisterstück, er tritt auch in den Kreis professioneller und erfolgreicher Fahrer ein, die in den 1950er- und 1960er-Jahren das Renngeschehen bestimmen. Sein Talent überzeugt Briggs Cunningham, ihn in sein Rennteam aufzunehmen. Den selbst gebauten «Special» verkauft er Anfang 1954 an seinen Freund und Rennfahrerkollegen Paul Timmins und investiert das Geld in einen echten C-Type. Timmins verunglückt nur ein Jahr später bei einem Verkehrsunfall und ein George Sterner kauft den Wagen, nutzt ihn aber nur als Strassenauto und fährt keine Rennen damit.
Besitzer Nummer 4, ein J. D. Inglehart, Nummer 5, Bob Milstein, und Nummer 6, Terry Larson, setzen den Hansgen Special in den kommenden 51 Jahren regelmässig bei Rennen ein, bewahren aber die Originalität des Fahrzeugs. 2020 hat Christian Jenny aus Thalwil ZH dann die Gelegenheit, diesen historisch bedeutsamen Jaguar zu erwerben.
Baujahr 1951, Umbau 52/53
Motor 3442 ccm, R6, DOHC, 3 SU-Vergaser
Leistung ca. 210 PS bei 5800 U/min
Drehmoment ca. 284 Nm bei 4500 U/min
Kraftübertragung manuelles 4-Gang-Getriebe, Hinterradantrieb
Länge/Breite/Höhe ca. 4000/1640/980 mm
Gewicht 950 kg (trocken)
Höchstgeschwindigkeit ca. 265 km/h
Beschleunigung k. A.
Produktion 1
Preis ca. 30’000 Dollar Umbaukosten