Zurück in der Zukunft

Vor mehr als 40 Jahren ging der DeLorean-Produktion in Belfast der Strom aus. Doch seit 2007 kriegt die Kultgemeinde wieder Starthilfe aus Texas. Aus einem riesigen Originalteile-Lager

Delorean DMC-12

Vor mehr als 40 Jahren ging der DeLorean-Produktion in Belfast der Strom aus. Doch seit 2007 kriegt die Kultgemeinde wieder Starthilfe aus Texas. Aus einem riesigen Originalteile-Lager

Text und Fotos: Claudi Stock

Mit Reinkarnationen ist das so eine Sache. Wer dran glaubt, fordern Kritiker, möge mal schön mit Beweisen um die Ecke kommen. Was meist nicht ganz einfach ist. Es gibt jedoch Ausnahmen. «NOV. 81» steht unter «Monat und Jahr der Herstellung» auf dem Blechschild mit der Identifikations-Nummer, das an den Türfalz geschraubt ist. November 1981? Das ist schlichtweg gelogen. Das Gefährt wurde gerade eben aus der Produktionshalle gefahren. Und doch die Wahrheit: Bis auf wenige Ausnahmen stammt jedes Teil an dem Fahrzeug aus dem Jahr 1981.

Und so sieht die Kiste auch aus. Genauso, wie wir sie in Erinnerung haben. Oder von Fotos kennen. Oder aber zumindest als Zeitmaschine aus dem Film «Zurück in die Zukunft» mit Michael J. Fox und Christopher Lloyd. Ein Auto mit einer Karosserie aus rostfreiem Stahl, keilförmig, eckig, Flügeltüren. Ein nagelneuer DeLorean, frisch aus den Werkshallen in Humble, ein Vorort von Houston, US-Bundesstaat Texas.

Texas? Möglicherweise ein Zeitsprung per Flux-Kompensator? Schließlich wurde der DMC-12 ursprünglich in Irland gebaut. Und das genau zwei Jahre lang: von 1981 bis 83 liefen in Dunmurry (nahe Belfast) etwa 9200 Einheiten vom Band, dann war schon wieder Schluss. Doch 24 Jahre später schlüpft der Edelstahl-Zweisitzer wieder aus dem Ei – als Produkt der wiederbelebten DeLorean Motor Company.

DeLoreanHinter der Reinkarnation steckt Stephen (Steve) Wynne. Der gebürtige Engländer aus Liverpool ist Inhaber einer Kfz-Werkstatt für britische und französische Autos in Los Angeles, Kalifornien, als bald nach dem DMC-Crash Anfang der 80er der erste Kunde mit einem DeLorean vor der Tür steht. «Wer damals einen DeLorean besass, fand nur schwer irgendwo Teile, geschweige denn Mechaniker, die einen DMC-12 reparieren konnten oder wollten», erzählt Steve. «Die nach dem DMC-Konkurs verbliebenen Händler weigerten sich zumeist, Garantiearbeiten zu übernehmen. Ich sah mir den DMC des Kunden an und fand sehr vertraute Komponenten, wie zum Beispiel den Renault-Antriebsstrang. Daher war die Reparatur kein Problem für uns.»

Die erfolgreiche Instandsetzung spricht sich in der DMC-Gemeinde schnell herum und mehr und mehr DeLorean-Besitzer, bald aus allen Ecken der USA, finden den Weg in Steves Werkstatt. Unter ihnen ein notorischer Teile-Sammler, der durch die amerikanische DMC-Händlerschaft zieht und Ersatzteile aufkauft. 1985 gründen die beiden eine gemeinsame Firma: «DeLorean One» ist Teileversand und Full-Service-Werkstatt zugleich – und so gedeihlich, dass Steve und sein Partner schon 1988 einen zweiten Standort in Texas eröffnen.

1995 trennen sich die Partner; Steve Wynne übernimmt den Betrieb in Humble und tauft das Unternehmen wieder auf DeLorean Motor Company. Zu diesem Zeitpunkt ist er längst Stammkunde bei Kapac, einem Investor, der 1985 sämtliche Teile und Montagewerkzeuge der Fabrik in Irland erworben hatte.

DeLoreanEin Rückblick: 1981 startet der Amerikaner John DeLorean im nordirischen Dunmurry die Produktion dessen, was er ein «ethisches» Auto nennt. Was genau er damit meint, hat bis heute keiner wirklich begriffen, denn der Zweisitzer mit seiner Edelstahl-Karosserie, der flachen, keilförmigen Vorderfront und den nach oben öffnenden «gull-wing doors» (die bei uns nur schnöde Flügeltüren heissen) war weder sittenstreng noch züchtig. Puritanisch vielleicht, im Sinne von «ohne Schnickschnack», doch auch das stimmt nicht wirklich: elektrische Fensterheber und elektrisch verstellbare Außenspiegel, Klimaanlage und Tempomat fallen in den 80ern auch in Amerika nicht unter Basisausstattung.

DeLoreans erstes und einziges Modell ist ein Entwurf von Giorgetto Giugiaro, dessen Fima Ital-Design damals vor allem für Lotus arbeitete. Optische Anleihen an den Lotus Esprit konnte der DMC-12 daher nie leugnen; auch sein Chassis entspricht im Grunde dem des britischen Sportwagens. Der (doppelt) y-förmige Zentralrohrrahmen des DeLorean ist ein Derivat des Lotus Esprit-Fahrgestells.

John DeLorean, ein ehemaliger GM-Manager, hatte sich in den späten 1970er-Jahren für den Produktionsstandort Irland entschieden, weil die damalige britische Regierung dort enorme Steuervorteile einräumte, um die Arbeitslosigkeit zu senken und so die Irland-Unruhen in den Griff zu bekommen.

Die Serien-Produktion des DMC-12 startete 1981 – und war 1983 schon wieder vorbei. Das Auto, produziert von angelernten irischen Arbeitern, für die dieser Job zumeist der erste ihres Lebens war, wies einige Qualitätsmängel auf: kränkelnde Lichtmaschinen, oft schlechte Karosserieverarbeitung, bei der von Spaltmassen keine Rede sein konnte sowie zahlreiche Probleme mit den Flügeltüren hatten zur Folge, dass weit weniger Autos verkauft wurden als geplant. Seinen Break-even-Point hatte DMC mit 10‘000 bis 12‘000 Autos angegeben, doch Ende 1981 lagen die Verkaufszahlen bei nur 6.000 Einheiten. Zu den Qualitäts-Defiziten kam, als Folge der Ölkrise, eine weltweit ohnehin geringere Nachfrage nach Autos im Allgemeinen, Sportwagen im Besonderen.

Zudem war das Fahrzeug teurer als vorgesehen: Die Bezeichnung «DMC-12» war ursprünglich der Werkscode des DeLorean und wurde gewählt, weil DeLoreans erstes Modell nicht mehr als 12‘000 US-Dollar kosten sollte. Daraus wurde nichts: Das Auto trat mit einem Listenpreis von 25‘000 Dollar an. „Das entspräche heute einer Summe von etwa 60‘000 US-Dollar“, so der heutige DMC-Vizepräsident James Espey.

1983, nach 9‘200 produzierten Einheiten, schliessen sich die Hallentore von DMC in Irland für immer. 1‘200 Autos bleiben übrig, die, wie auch Teile und Montagewerkzeuge, von einem Kapitalunternehmen übernommen werden: Consolidated International verkauft die verbliebenen Fahrzeuge über das bestehende Händlernetzwerk. Doch als 1985 alle Autos unter die Leute gebracht sind und es nichts mehr zu verdienen gibt, veräussert Consolidated den Rest an eine Firma in Columbus, US-Bundesstaat Ohio, die ursprünglich DeLorean-Besitzer und die verbliebenen Service-Center mit Teilen versorgen wollte.

DeLorean

Kapak, so der Name des Investors, erwirbt in den folgenden zwei Jahren sogar zusätzliche Ersatzteile von ehemaligen Zulieferern, unter ihnen auch deutsche Firmen wie Bosch oder Sachs.

John DeLorean lässt sich bei Kapac nieder – und unterhält dort für knapp zwei Jahre ein Büro mit dem Ziel, einen Geldgeber zu finden, um die Produktion erneut zu starten. Dazu kommt es nie.

Kapac sitzt auf mehr als zwei Millionen Teilen und lässt diese weitestgehend herumliegen.

Die Trennung von seinem Geschäftspartner ermöglicht es Stephen Wynne 1997, Kapac ein Angebot zu machen. Nach zähen Verhandlungen erklärt sich das Unternehmen schliesslich bereit, die Bestände zu verkaufen. «Ich habe volle zwei Tage in deren Lager verbracht.», erinnert sich Steve, «Und ich habe dort Teile und Pläne gefunden, die angeblich nicht mehr verfügbar waren.» Steves Ziel: neue DeLorean zu bauen, aus alten Teilen.

Das dauert noch ein bisschen: Erst 2002 rollen insgesamt 85 Lkw-Ladungen mit Teilen von Ohio nach Texas – US-Ladungen, wohlgemerkt. Ein amerikanischer Semi-Truck oder Tractor-Trailer schleppt bis zu 58,5 Tonnen … Wynne konzentriert sich zunächst auf Restauration alter DMC-12 und Teile-Lieferung. Doch fünf Jahre später ist es soweit: 2007 fährt der erste «neue» DeLorean in Humble aus der Halle. «Ich glaube, jeder Mechaniker träumt davon, ein Auto zu bauen, nicht nur daran zu schrauben.»

Nun, das ist ihm gelungen. Sein Betrieb beschäftigt 16 Mitarbeiter, nur zwei von ihnen dürfen neue Autos zusammenbauen, komplett in Handarbeit. Das dauert etwa sechs bis acht Wochen pro Fahrzeug. Vier bis sechs Neuwagen kommen so pro Jahr zusammen, hinzu kommen 75 Gebrauchte, meint: restaurierte DeLorean. «Unsere zwei Mechaniker haben ihr eigenes Tempo», sagt Steve. «Man braucht eine besondere Mentalität, um an solchen Autos zu arbeiten.» Vier Tage die Woche bauen Bill und Justin neue DeLorean, am fünften Tag wird an Restaurationsprojekten geschraubt.

Insgesamt fliessen rund 2.800 Einzelteile in einen DeLorean, etwa 95 Prozent davon sind «NOS»-Parts – New Old Stock, neue alte Bestände, oder, wie es James Espey formuliert «neue, 25 Jahre alte Teile aus der früheren Fabrik und von früheren Zulieferern. Dazu zählen unter anderem Karosserieteile, Türen, Windschutzscheiben, Getriebe und Motoren.» Darüber hinaus verwendet DMC OEM-Teile (Original Equipment Manufacturer), die heute noch produziert werden, wie Zündkerzen oder Kühlerschläuche.

Mehr und mehr muss die DeLorean Motor Company freilich Teile nachbauen: Türgriffe, Spurstangen, Schalter für den Innenraum wie die für die elektrischen Fensterheber, Bremsen-Komponenten und einiges mehr werden heute neu hergestellt. Wann immer alte Teile zur Neige gehen, prüft DMC, wo, wie und in welchem Umfang die fehlenden Parts reproduziert werden können.

DeLoreanDrei Viertel der Fläche des 4‘000 Quadratmeter grossen Produktionsstandortes in Humble sind reiner Lagerraum: Hier stapeln sich knapp drei Millionen Einzelteile. Optisch sind der Alte und der Neue von aussen übrigens nicht voneinander zu unterscheiden. Steves DeLorean haben die glatte Fronthaube ohne seitliche Einkerbungen, mit denen auch die letzten 1982/83 in Irland gebauten DMC ausgestattet waren (ältere Modelle haben besagte Kerbe rechts und links; ganz alte auch einen Tankdeckel auf der Haube).

Alle Motoren, die Steve Wynne verwendet, sind originale PRV-Triebwerke. Der von Peugeot, Renault und Volvo entwickelte 2,8-Liter-V6 liefert 130 PS. Steve hat ihm allerdings ein bisschen auf die Sprünge geholfen, sodass es jetzt auch eine 195-PS-Version («Stage II») gibt, ab Frühsommer dieses Jahres wird sogar eine 250-PS-Turboversion («Stage III») zu haben sein. Heute bietet die «DeLorean Motor Company Classic» (www.classicdmc.com) fünf Fahrzeugzustände an:

  • Barnfind, Zustand wie vom Markt gekauft
  • Daily Driver, im alltagstauglichen Zustand
  • überholte Fahrzeuge, genannt Premium pre-owned
  • Live your Dream – restauriert nach Kundenwunsch
  • Concours-, Sammler- oder Museumszustand

Die Auswahl ist gross, der Preis auf Anfrage und die Zeitreise – gewiss. Da dürfte für jeden Fan das passende Auto dabei sein, aber wer lieber zuerst in Europa suchen möchte, findet Hilfe im Aargau bei www.delorean.ch.

DeLorean DMC-12

Baujahr: 1981-1982
Motor: 2849 ccm, V6 Heckmotor, DOHC, Bosch K-Jetronic
Leistung: 132 PS bei 5500 U/min
Drehmoment: 220 Nm bei 2750 U/min
Kraftübertragung: manuelles Fünfganggetriebe, Hinterradantrieb
Länge/Breite/Höhe: 4267/1990/1140 mm
Gewicht: 1268 kg
Verbrauch: ca. 10 l/100 Km
Höchstgeschwindigkeit: 198 km/h
Beschleunigung: ca. 10 s
Produktion: 8583
Preis: 25.000 Dollar (nur Grau-Import)